Wolfgang Ammer, News, 2004, Tuschfeder, laviert, Deckweiß auf Papier © Landessammlungen NÖ
Wolfgang Ammer, News, 2004, Tuschfeder, laviert, Deckweiß auf Papier © Landessammlungen NÖ

Twin It! 3D

von pflege

Das Heidentor von Carnuntum im Wandel der Zeit -

3D Digitalisierungen eines Triumphalmonuments

 

Mit der EU-Kampagne Twin It! 3D setzen die Kulturministerien der Mitgliedsstaaten gemeinsam mit ausgewählten nationalen Kultureinrichtungen ein Zeichen für die 3D-Digitalisierung von europäischen Kulturdenkmälern. Sie soll dazu beitragen, das europäische Kulturerbe mit der Erstellung von 3D-Modelle besser zu erfassen und für die nachfolgenden Generationen zu sichern. In jedem EU-Mitgliedsstaat wurden denkmalgeschützte Objekte für eine dreidimensionale Digitalisierung gesucht, die repräsentativ für das Kulturerbe des jeweiligen Staates sind.

Für den österreichischen Beitrag wurde im Zuge eines Förderwettbewerbs des BMKÖS das Heidentor in Petronell-Carnuntum (Niederösterreich, Bezirk Bruck a. d. Leitha) zur 3D-Digitalisierung ausgewählt, das sich im niederösterreichischen Landeseigentum befindet und von der Abt. Kunst und Kultur, Außenstelle Carnuntum betreut wird.
Für das Projekt werden sogar vier 3D-Modelle des Heidentors präsentiert: ein Modell des heutigen Zustandes, ein rekonstruiertes vom Zeitpunkt der Errichtung in römischer Zeit sowie zwei weitere Modelle historischer Epochen, die den Verfall und erste Restaurierungsmaßnahmen dokumentieren.

Die Ergebnisse übermittelt der nationale Aggregator Kulturpool laufend an Europeana. Am 14. Mai 2024 wurden in Brüssel die 3D-Modelle den Kulturministern der EU vorgestellt. Die ersten zwei Modelle sind bereits verfügbar und stehen auch nach Abschluss des Projekts (Laufzeit von Jänner bis Ende Juni 2024) der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Die beiden bereits veröffentlichten Modelle zeigen das Heidentor von heute sowie eine Rekonstruktion des Heidentors in römischer Zeit. Die beiden historischen Modelle werden bis zum Ende der Projektlaufzeit (30.06.2024) ebenfalls veröffentlicht.

Heidentor Modell von heute:

Rekonstruktion Heidentor zur Zeit der Errichtung:

 

Das Heidentor – ein europäisches Kulturdenkmal

Das Heidentor ist ein monumentales Triumphalmonument aus römischer Zeit, das vermutlich unter Kaisers Constantius II. (351–361 n. Chr.) errichtet wurde. Sein heutiger Name leitet sich von „heydnisch Thor“ ab. Der sog. Quadrifons (Monument mit doppelten Durchgängen auf vier Pfeilern) mit dem besonderen Figurensockel im Zentrum wurde seit dem 19. Jahrhundert mehrfach restauriert. Warum der Standort etwa 900 m außerhalb der römischen Stadt gewählt wurde, ist – wie auch seine ursprüngliche Bedeutung – bis heute nicht gänzlich geklärt.

Das Heidentor von Carnuntum ist ein bedeutendes Kulturerbe und seit 2014 als erstes österreichisches Kulturdenkmal in der Liste der europäischen Kulturerbestätten und Symbol des römischen Österreichs.

Da es seit seinem fast 2.000-jährigem Bestehen niemals überbaut wurde, war seine Beschreibung sowohl im Mittelalter als auch in der Renaissance Teil von Reiseberichten. Über den Erbauer und die Funktion des Bauwerks wurde bereits damals wild spekuliert:

Im 13. Jahrhundert wurde das Heidentor als Grabmal des Riesen Theuto bezeichnet, von dem auch die Region Theutonia abstammt.[1]  Im 15. und 16. Jahrhundert fiel das Heidentor einem Steinraub zum Opfer, welches das Aussehen des Heidentors für immer stark prägte. Besonders große Quadersteine waren begehrt und so wurde sogar unter Einsatz von Schwarzpulver das begehrte Material herausgesprengt, sodass sogar die letzten beiden Pfeiler bis zum Gussmauerwerk abgetragen worden waren. Bereits im 18. Jahrhundert waren sich die Forscher einig, dass es sich um ein römisches Bauwerk handelte. Dadurch gab es der Wissenschaft den Anstoß, mit der Erforschung Carnuntums – dem Pompeji vor den Toren Wiens – zu beginnen und das Denkmal zu erforschen und zu erhalten.

3D-Modell des heute sichtbaren Heidentors
Das 3D-Modell des heutigen Zustands des Heidentors wurde mittels Fotogrammetrie erzeugt. Hilfsmittel hierfür war die Drohne DJI Mavic 3E Enterprise, mit der aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Höhen Fotos aufgenommen werden konnten. Durch die fotogrammetrischen Aufnahmen wurde ein dreidimensionales Digitalisat vom Istzustand erzeugt. Durch die Verwendung von hochgenauen GPS Systemen (RTK) war es möglich, ein Modell mit einer Genauigkeit im Zentimeterbereich zu erstellen.

Um ein gleichmäßig ausgeleuchtetes Modell erstellen zu können ist bei der Aufnahme von Fotos diffuses Licht (bewölktes Wetter) notwendig. Jeglicher Schatten zeigt sich auch unvorteilhaft in der Textur des 3D Modells. Die ersten Ergebnisse lagen bereits wenige Tage nach den Fotoaufnahmen vor. In den Folgewochen wurden die Annotationen vorbereitet, bei denen es konkret um Verortungen von antiken Spolien im Heidentor geht.

Die Spolien im Heidentor sind römisches Steinmaterial wie bspw. Altäre, Inschriften, Bauornamente etc., die aus älteren Bauwerken stammten und aus Kostengründen ins Mauerwerk vom Heidentor eingebaut wurden.


Abb. 1 Fragment eines Weihaltares, Annotation 4 ©Landessammlungen Niederösterreich

3D-Rekonstruktion des Heidentors in dessen Entstehungszeit (4. Jahrhundert n. Chr.)
Das Heidentor war ursprünglich ein sogenannter Quadrifrons, ein Bau mit vier Pfeilern und vier Torbögen. In der Mitte steht bis heute ein massiver Rundsockel, auf dem sich in antiker Zeit wahrscheinlich eine überlebensgroße Statue des Kaisers befunden hat.

Das Heidentor wurde in der römischen Spätantike, vermutlich in der Regierungszeit von Kaiser Constantius II (351–361 n. Chr.), erbaut und hatte eine Seitenlänge und eine Höhe von etwa 14,5 m. Oberhalb der Bögen befand sich die Attikazone mit Säulen, Konsolen und Skulpturen aus Marmor und Inschriftenfeldern über den Bögen.

Der Kern der vier Pfeiler bestand aus römischem Gussmörtel und Bruchsteinen, die Außenschale aus großen Werksteinen und Ziegelmauerwerk. Bei Restaurierungen kamen zahlreiche Weihealtäre zutage, die beim Bau des Tores wiederverwendet wurden. Durch den Aufschwung des Christentums haben diese Altäre ihre religiöse Bedeutung verloren und wurden nur mehr als bereits vorhandenes, günstiges Baumaterial gesehen.

Abb. 2 Fuhrmann Matthias, Allgemeine Kirchen- und Weltgeschichte von Oesterreich (Wien 1769), Tabula VI b, S. 705

Vorschläge zu Rekonstruktionen des Dachabschlusses gab es zahlreiche. Im aktuellen 3D-Modell der wurde dieser pyramidal ausgestaltet. Vorschläge hierzu gibt es jedoch zahlreiche: bereits im Jahr 1769 wurde durch Matthias Fuhrmann ein Flachdach mit Figurenbekrönung als Möglichkeit in Betracht gezogen (s. Abb. 2).

Nachdem Josef Dell im Jahr 1904 ein hoch aufragendes Pyramidendach rekonstruiert hatte, wurde in den 1980er-Jahren wieder eher ein Flachdach in Erwägung gezogen. Später teilte man weiterhin diese Überlegung, jedoch könnte auch ein flach geneigtes Dach möglich gewesen sein, welches in der Rekonstruktion umgesetzt wurde.

 


Abb. 3 Josef Dell, Führer durch Carnuntum, Wien 1904, Abb. 141

In den 1980er-Jahren kristallisierte sich ein Flachdach heraus. 2001 wurde auch diese Überlegung –jedoch abgeschwächt – geteilt, da es sich auch um ein flach geneigtes Dach gehandelt haben könnte (s. Jobst, Das Heidentor von Carnuntum – Ein spätantikes Triumphalmonument am Donaulimes, S. 195).

Im Zuge des Twin It! 3D-Projekts wurde das Fundmaterial des Heidentors, welches sich im Eigentum der Landessammlungen Niederösterreich (Abt. Kunst und Kultur, Außenstelle Carnuntum) befindet, erneut gesichtet. Gegen ein hoch aufragendes Dach sprechen die fehlenden Dachziegeln (tegulae und imbrixes). Die Befunde deuten eher auf eine kleine Dachfläche hin, die für das Ableiten von Regenwasser etwas geneigt ist. Aufgrund der Quaderform des Denkmals wurde die Dachform in der Rekonstruktion somit pyramidal und flach geneigt gestaltet.

In der Mitte der Torbögen stand ein Figurensockel, der vermutlich eine goldene oder vergoldete überlebensgroße Kaiserstatue trug. Aufgrund der Zeitstellung wird es sich bei der Kaiserstatue vermutlich um Constantius II gehandelt haben. Die goldene Kaiserstatue auf dem Rundsockel wurde für die 3D-Rekonstruktion des Heidentors eigens erstellt und soll einen Eindruck davon vermitteln, wie die Statue in der Gesamtansicht aussehen hätte können.

Das Kreuzgewölbe in der Mitte der Bogendurchgänge war verputzt und mit Wandmalerei geschmückt.

In den Nischen der Attikazone standen Marmorfiguren, worauf einige Fragmente aus dem Fundmaterial hinweisen. Außer einigen stark fragmentierten Inschriftenreste, waren die Figurenfragmente die einzigen Hinweise auf die Verwendung von Marmor.

 

Fußnoten:
[1] Monumenta Germaniae Historica, Scriptores in Folio, Band 17, Hannover 1861, S. 238

 

weitere Links:
Das Heidentor von Petronell-Carnuntum | Europeana
Rekonstruktion des Heidentors | Europeana

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