Wolfgang Ammer, News, 2004, Tuschfeder, laviert, Deckweiß auf Papier © Landessammlungen NÖ
Wolfgang Ammer, News, 2004, Tuschfeder, laviert, Deckweiß auf Papier © Landessammlungen NÖ

In Memoriam

von pflege

Wulf Bugatti

1939 - 2021

Es passte zu ihm, dass er als Autodidakt den Namen einer Automarke zum Künstlernamen wählte. Es passte auch zu ihm, dass es nicht irgendeine war, sondern die Topmarke, bei der man nicht in erster Linie an den motorisierten Untersatz denkt, sondern an Gediegenheit, Stil und Exklusivität. Gefehlt! Bugatti liebte und lebte den Widerspruch, die Überraschung. Wie gern erzählte er von seinem großen Auftritt 1986, seiner Ausstellung in der Wiener Albertina und von der Reaktion Direktor Walter Koschatzkys, als er seinen 15-jährigen Sohn Simon vorschickte, die Bilder für die Ausstellung anzuordnen. In Stein Gemeißeltes war ganz und gar nicht sein Ding. Dass manches einfach so sein müsste, wie es immer war, erregte bei ihm Misstrauen und Ablehnung. Immer hatte er dann einen Gegenentwurf parat, dem man verstört oder – wie Koschatzky – ungläubig gegenüberstehen konnte. Damit hatte Bugatti schon ein Ziel seiner Kunst erreicht. Er rührte auf und freute sich insgeheim, wenn er die Besucher*innen seiner Ausstellung dabei beobachten konnte, wenn sie sich fragten, ob das ernst gemeint sei und auf welche Weise man das schön finden müsse. Hilfestellung dazu hatte man von ihm nicht zu erwarten.

1939 im deutschen Bad Elster als Sohn eines Sudetendeutschen und einer Kärntnerin geboren, verbrachte Wulf Dieter Winterling seine Kindheit in Kärnten. Schon in jungen Jahren hatte er Freude am Zeichnen. Seine Begeisterung gipfelte in einem 1. Preis, der ihm anlässlich eines Zeichenwettbewerbes zuerkannt wurde und der auch bei seiner Familie Eindruck hinterließ. Dem heranwachsenden jungen Mann, der keiner Erwartung, die in ihn gesetzt wurde, entsprechen wollte, wurde Kärnten bald zu eng. Er kam nach Wien. Die Kunst war das formbare Medium, dem er sich hingeben wollte, von dem zu leben damals jedoch nicht möglich schien. Schon früh Familienvater ging er manchem Job nach, bevor er ab 1967 eine Karriere als satirischer Zeichner startete. Damals legte er sich auch sein Pseudonym zu. Seine Zeichnungen erschienen bald im Schweizer Satiremagazin Nebelspalter, im Kurier, den Salzburger Nachrichten sowie in der Süddeutschen Zeitung. Darüber hinaus arbeitete Bugatti als Cartoonist für das Männermagazin Playboy und das Motorjournal Autorevue und gab mehrere Bücher mit eigenen Zeichnungen heraus. Der Band Schießen sie auf den Pianisten aus den frühen 1970er-Jahren verdient dabei besondere Erwähnung. Auch als Kinderbuchautor trat Wulf Bugatti hervor. 1977 illustrierte er Hans Weigels Band Der exakte Schwindel – oder Der Untergang des Abendlandes durch Zahlen und Ziffern. Ein Jahr später erschien sein Cartoonband Zum Glück gibt´s Österreich, zu dem H. C. Artmann ein Essay beisteuerte.

Neben seiner Arbeit als Satiriker, die unter anderem in den Landessammlungen Niederösterreich und in der Sammlung des Cartoonmuseums Basel dokumentiert ist, hatte Bugatti die freie Kunst nie ganz aus den Augen verloren oder ruhen lassen. Sie, der er sich einst autodidaktisch genähert hatte, forderte mehr von ihm. 1983 befreite sich der Künstler schließlich von allen Zwängen des Auftragszeichnens, damit aber auch von allen Sicherheitsleinen und -netzen und wagte den Schritt in die freischaffende Tätigkeit als Maler und Grafiker. Sein Atelier richtete er damals wieder in Kärnten ein. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Drei Jahre später reüssierte er in der bereits erwähnten Ausstellung in der Wiener Albertina, 1989 folgte zu seinem 50. Geburtstag eine Werkschau im Salzburger Rupertinum.

Ein Bild, das an der Wand schräg aufgehängt wird, eine Leinwand, die eine Falte schlägt oder in keine bestimmte Form gezwungen von einem Holzrahmen baumelt, ein „Streifenbild“, bei dem die Leinwand vom Keilrahmen nach der Seite absteht, letzteres schon aus dem Jahre 1963. Schlampigkeit? Nachlässigkeit? Oder doch Verhöhnung überkommener Denkmuster und Erwartungshaltungen? Letzteres, doch ohne jegliche Böswilligkeit. „Mit der Idee über die Normen hinweg, mit der Vorstellung über das Anschauliche hinaus“ (Margit Zuckriegl, 1990), dabei keinem bekannten Muster zu entsprechen, Betrachter*innen zu irritieren und zum Umdenken anzustoßen, das war Bugatti. Dabei beschäftigten ihn insbesondere auch formale Fragen. In den Falt- oder Faltenbildern kam etwa seine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Erweiterung des Bildraumes zum Ausdruck, wie auch das Spiel mit Verborgenem beziehungsweise zu Erahnendem. Als logische Konsequenz beschäftigte er sich bald auch mit dem Objekt. Wie in der Zeichnung und der Malerei charakterisierte der Einsatz denkbar einfacher Mittel auch diesen Schaffensbereich des Künstlers. War dort eine Linie, ein Farbfleck, so hier ein Fundstück, gepaart mit einem Gedanken dafür erforderlich, mehr nicht. Die Umsetzung erfolgte dann –  zumindest dem Anschein nach – sehr rasch, wie der Eintrag in einem Notizbuch, in dem man nur das Wesentliche festhält. Sein kultiger „Harlem Dog“ etwa ist nichts Anderes als aufgerolltes Papier über einem leichten Metallgestell mit der Ästhetik eines Kleiderbügels. Die Spuren längerer Aufstellung im Freien tragen dabei wesentlich zum Charakter des Ganzen bei. Durch Werktitel konnten dem Ergebnis einer künstlerischen Arbeit noch weitere unerwartete Noten, beziehungsweise den Betrachter*innen weitere „Rätsel“ mitgegeben werden. „Le Corbusier baut ein Haus und fährt nach Hause“ ist etwa eine Collage von 2005 betitelt, in der Bugatti einen Eislöffel dafür verwendete, um weibliche Scham und Schritt anzudeuten. Gerade vergleichsweise banal wirkende „Objekte voll irritierender Trivialität“ (Margit Zuckriegl, 1990), bei denen meist eine gehörige Portion Humor mitschwingt, wurden vom Künstler oftmals durch Titel „ausgezeichnet“. Diesbezüglich setzte er auch immer wieder seinen Künstlernamen in Szene: in beeindruckender Konsequenz etwa in einem Bild, das allein aus diesem Namen besteht.

Mit dem Erwerb eines alten Schüttkastens in Erdberg bei Poysdorf Anfang der 1990er-Jahre begann ein neuer Lebens- und Schaffensabschnitt Wulf Bugattis. Die Entfernung von der Bundeshauptstadt führte zunehmend aber auch zur Entfremdung vom dortigen Kunstgeschehen. Mit der Zeit wurde es ruhig um den „Aufrührer“ der 1980er Jahre. Das Landleben hatte viele schöne Seiten für ihn bereit, es gestaltete sich einfach, doch nicht sorgenfrei. Dass es trotz Krankheit stilvoll und erfüllt blieb, verdankte er der Frau an seiner Seite. Die Sorge um sein Lebenswerk bewog Bugatti vor wenigen Jahren, den Landessammlungen Niederösterreich eine umfassende Auswahl an Gemälden, Grafiken und Objekten, die sein Schaffen in ganzer Vielfalt zeigt, dazu umfangreiches dokumentarisches Material, anzuvertrauen. Bugatti, „Außenseiter bildnerischen Denkens und Handelns“ (Peter Baum, 1986), schuf ein Werk, das sich aus der Masse des Kunstschaffens erfrischend und erfrischend anders heraushebt. Der „Einzelgänger und Menschenfreund“, wie er sich selbst einmal charakterisierte, starb am 21. April 2021.

Text: Wolfgang Krug

Wulf Bugatti, Le Corbusier, 2005, Inv.Nr.KS-18813

Wulf Bugatti, Le Corbusier, Filzstift und Metall auf Karton, 2005, Inv.Nr.KS-18813

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